Brandschutz im Bauwesen: Was Gebäude sicher macht?

Wenn ein Brand ausbricht, zählt jede Sekunde. Was jedoch viele nicht wissen: Die entscheidenden Maßnahmen für den Brandschutz werden nicht erst von der Feuerwehr vor Ort getroffen, sondern bereits Monate oder Jahre zuvor – von Architekten, Ingenieuren und Bauunternehmen, deren Planungen und Entscheidungen maßgeblich die Brandsicherheit eines Gebäudes bestimmen.

Was versteht man unter Brandschutz?

Brandschutz im Bauwesen bedeutet nicht nur die Einhaltung von Normen, sondern auch das Verständnis dafür, wie sich Gebäude im Brandfall verhalten – und welche Rolle Materialien und Konstruktionen dabei spielen und Leben zu schützen.

Wenn Ingenieurinnen und Ingenieure von einem „feuerbeständigen“ Bauteil sprechen, meinen sie damit weit mehr als nur, dass es nicht brennt. Echte Feuerbeständigkeit bedeutet, dass eine Konstruktion unter extremer Hitze ihre strukturelle Integrität bewahrt, die Ausbreitung von Flammen verhindert, die Entwicklung giftiger Rauchgase begrenzt und – entscheidend – wertvolle Zeit für eine sichere Evakuierung schafft.

Ein Beispiel: Ein Stahlträger mit der Klassifizierung „R60“ ist so ausgelegt, dass er einem standardisierten Brandverlauf mindestens 60 Minuten standhält. Theoretisch verschafft das den Gebäudenutzern ausreichend Zeit zur Evakuierung und der Feuerwehr Zeit für Maßnahmen – in der Praxis jedoch können giftige Rauchgase bereits nach wenigen Minuten zur ernsten Gefahr werden.

„Feuerbeständigkeit umfasst viele Aspekte – nicht nur die strukturelle Tragfähigkeit im Brandfall, sondern auch das Verhalten des Materials, etwa ob es schädliche Gase freisetzt oder aktiv zur Brandausbreitung beiträgt“, erklärt Teemu Tiainen, Senior Specialist bei Teräsrakenneyhdistys ry (Finnischer Verband für Stahlbau).

 

Die Wahl der Materialien ist entscheidend

Jedes im Bauwesen eingesetzte Material besitzt spezifische Eigenschaften, die die Brandsicherheit beeinflussen. Einige Materialien sind von Natur aus schwer entflammbar, während andere leicht entzündlich sind oder bei Brandeinwirkung schädliche Gase freisetzen können. Stahl gilt zwar als besonders tragfähig, verliert jedoch bei hohen Temperaturen deutlich an Stabilität – bei etwa 600 °C kann er bis zur Hälfte seiner Tragfähigkeit einbüßen. Daher benötigen Stahlkonstruktionen häufig zusätzlichen Brandschutz, etwa durch spezielle Beschichtungen oder eine Ummantelung mit Beton.

Brandschutzmaßnahmen können entweder direkt auf der Baustelle oder vorab unter kontrollierten Bedingungen im Werk erfolgen – beide Ansätze bieten spezifische Vor- und Nachteile. Werkseitig aufgebrachter Brandschutz gewährleistet konstante Qualitätsbedingungen, während die Anwendung vor Ort besser auf individuelle Bausituationen abgestimmt werden kann – trotz möglicher Herausforderungen hinsichtlich Umwelteinflüsse und Qualitätssicherung.

Die natürliche Zusammensetzung von Beton verleiht ihm eine gewisse Hitzebeständigkeit – allerdings ist auch er nicht unbegrenzt belastbar. Holz hingegen überrascht: Obwohl es letztlich brennt, zeigt Massivholz im Brandfall ein berechenbares Verhalten – es verkohlt an der Oberfläche, während der innere Kern seine Tragfähigkeit weitgehend erhält.

Entscheidend ist nicht, bestimmte Materialien zu vermeiden, sondern ihr Verhalten zu verstehen und die Planung entsprechend darauf abzustimmen.

 

Zukünftige Herausforderungen im Brandschutz

Mit dem Wandel unserer Städte entstehen neue Herausforderungen. Brandschutzmaßnahmen müssen sich entsprechend weiterentwickeln, um sicherzustellen, dass Bauweisen, Materialien und Notfallkonzepte weiterhin wirksam bleiben. Mithilfe fortschrittlicher Computermodelle können Ingenieurinnen und Ingenieure heute bereits vor Baubeginn virtuell simulieren, wie sich ein Brand in einem Gebäude entwickeln könnte. Solche digitalen Brandsimulationen ermöglichen es, potenzielle Schwachstellen frühzeitig zu erkennen und Planungen gezielt zu optimieren – wie sie vor wenigen Jahren noch undenkbar war.

Wie Tiainen betont: „Der Brandschutz wird sich mit dem technologischen Fortschritt und neuen Risiken wie Batteriespeichern und Elektrofahrzeugen weiterentwickeln. Simulationstechnologien helfen uns, diese Herausforderungen besser vorherzusehen und gezielt zu bewältigen.“

 

Durdacht planen – Leben shützen

Durchdachte Planung kann die Brandsicherheit eines Gebäudes maßgeblich erhöhen. Strategisch platzierte Fluchtwege, feuerbeständige Barrieren, automatische Löschsysteme und eine wirksame Brandabschnittsbildung tragen entscheidend dazu bei, die Ausbreitung von Feuer zu begrenzen. Man kann sich Feuer wie Wasser vorstellen, das sich durch ein Gebäude seinen Weg bahnt: Ohne geeignete Barrieren folgt es dem Weg des geringsten Widerstands und breitet sich schnell aus. Mit einer gezielten Brandabschnittsbildung – also der Schaffung feuerbeständiger „Räume“ innerhalb der Struktur – lässt sich diese Ausbreitung wirksam eindämmen und verlangsamen.

Planung ist ein zentrales Element des Brandschutzes“, betont Tiainen. „Selbst eine tragfähige Konstruktion bietet keine ausreichende Sicherheit, wenn Fluchtwege und Rauchabführung nicht sorgfältig ausgelegt sind.

Brandschutznormen – wie die als Eurocodes bekannten europäischen Regelwerke – enthalten Richtlinien zur Feuerwiderstandsfähigkeit von Tragwerken. Sie werden in Kombination mit nationalen Bauordnungen und Brandschutzvorschriften angewendet und definieren Mindestanforderungen, die sich unter anderem nach Gebäudegröße, Nutzung, Personenzahl und Gebäudehöhe richten. Die bloße Einhaltung dieser Normen garantiert jedoch noch keine umfassende Sicherheit. Lokale Baupraktiken und Vorschriften unterscheiden sich teils erheblich – was in einer Region gut funktioniert, kann in einer anderen ungeeignet sein.

Letztlich geht es beim Brandschutz um ein wirksames Risikomanagement. Dazu gehören eine sorgfältige Materialwahl, eine durchdachte Tragwerksplanung und eine enge Abstimmung zwischen den beteiligten Fachdisziplinen. Ziel ist es nicht, alle Risiken auszuschließen – das ist unmöglich –, sondern sie gezielt und verantwortungsbewusst zu steuern. Wenn Architektinnen und Architekten Materialien auswählen, Ingenieurinnen und Ingenieure tragende Systeme entwerfen oder Bauunternehmen Brandschutzmaßnahmen umsetzen, hilft ein fundiertes Verständnis der Brandschutzprinzipien dabei, dass die von uns genutzten Räume Leben, Sachwerte und Gemeinschaften wirksam schützen.